Du stellst meine Füße auf weiten Raum…

Am Anfang nehmen wir sie selten wahr: sie zappeln und zuckeln und sind irgendwie da. Erst später finden wir heraus, was wir damit machen können. Wir finden den Weg aus der Horizontalen in die Vertikale: Die ersten wackeligen Schritte. Und dann werden sie genutzt: zum Rennen, zum großen-Onkel-in-die-Nase-stecken, zum Klettern und zum Trampolinspringen, zum Rollern und Radfahren. Sie tragen uns tagein, tagaus. Ballen, Ferse, fünf Zehen, üblicherweise. Und wenn wir noch klein sind, sind sie manchmal zu müde, um auch nur noch einen Schritt zu gehen. Dann hilft nur, getragen zu werden, erschöpft eingekuschelt auf dem Lieblingsarm.

Und, wenn ich ehrlich bin, ist das auch jetzt noch so, auch wenn ich nicht mehr ganz so klein bin. Manchmal reicht auch meine Kraft nicht aus, um den nächsten Schritt zu tun. Dann sind meine Füße müde, aber auch mein Herz und mein Kopf, sie können nicht mehr. Und am liebsten würde ich mich hinsetzen. Mitten auf die Straße. Wie meine Kinder es ganz selbstverständlich tun, wenn sie nicht weiter können.

Und warten, ob jemand sie aufhebt und in den Arm nimmt. Meine Füße haben mich so viele Wege getragen. Um den Göttinger Wall herum, am Maschsee entlang, den Brocken hinauf, durch Heide, Sand und Dünen in Dänemark, die Treppen im Haus hoch und runter und wieder hoch, mit Gepäck und ohne. Und ich glaube daran: Meine Füße gehen ihre Schritte – meine Schritte – nie nur aus sich selbst heraus. Einer meiner Schritte ist immer ein Schritt mit Gott an meiner Seite. Gott hebt mich auf, wenn ich nicht mehr kann: mit einem lieben Wort aus dem Mund eines Lieblingsmenschen. Mit einem Kinderlachen. Mit einem vergnügten Hallo quer über die Straße. Oder mit einem Sonnenstrahl, der meine Nase kitzelt.

Irgendwas fällt mir vor die Füße und ins Herz und es ist wieder Kraft da: Für den nächsten Schritt. Gott, stelle du unser aller Füße auf weiten Raum. Zum Ende des Sommers. Zum Beginn des neuen Schuljahres. In allem Anfangen – jeden Morgen – schenke uns deinen Horizont. Amen.


Ihre und eure Pastorin Nathalie Wolk