„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!"

Feb./März 2020

„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

Ein Satz, herausgeschrien. Verzweiflung aus dem Mund des Vaters. Sein Sohn liegt am Boden und es schüttelt ihn, bis Schaum aus seinem Mund tritt. Schon seit er ein Baby war, hatte er solche Anfälle. Nichts wurde besser, so viel die Eltern auch beteten und taten. Keiner konnte helfen, schon seit Jahren nicht. Der Glaube verkümmerte. So viel Enttäuschung, so viel Sorge musste er aushalten. So viele Wege gehen. Viel war nicht mehr da. Ein Drahtseilakt, überhaupt noch zu hoffen.
Und dann spricht Jesus: „Alles ist möglich dem, der glaubt!“ Unmöglich, dieser Satz. Zum Weglaufen. Überheblich, anschuldigend.
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ So schreit es aus dem Vater heraus und so schreit all auch all seine Sehnsucht nach Heilung und Ganz-Werden.
5 Wörter, 2 Satzzeichen, die es in sich haben.

Un-Glauben, damit ist kein Gegensatz zum Glauben an sich gemeint. Es ist die Abwesenheit von Glauben, der Mangel daran. Darin steckt eine riesengroße Sehnsucht. Nach dem, wie es eigentlich sein soll. Nach dem, was uns versprochen ist.
Es gibt so vieles in der Welt, was ich nicht zusammenbringen kann mit dem, was ich glaube:
Ich glaube, dass Gott nicht Leid und Tod will, sondern Leben.
Und ich sehe diese kleine überfüllte aufblasbare Nussschale, die übers Mittelmeer getrieben wird. Und ich weiß, dass auch aus diesem Boot Menschen ertrinken werden. Und dass die, die es an Land schaffen, vermutlich die nächsten Jahre unter unwürdigsten Bedingungen hausen werden.
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“
Ich glaube, dass in uns Menschen eine große Sehnsucht nach Frieden eingepflanzt ist.

Und ich sehe Kriegstreiber, die mit Menschenleben umgehen als wären sie Figuren auf einem großen Spielplan. Hier ein paar Bomben, da noch ein paar rollende Panzer – und tot sind sie.
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

Ich glaube, dass Gott uns den Auftrag und die Fähigkeit gegeben hat, die Schöpfung zu bewahren.
Und ich erlebe, wie sich das Klima wandelt. Weiß, was ich dazu beitrage und wie schwer es mir fällt, konsequenter zu sein. Sehe, wie notwendige politische Entscheidungen zugunsten von Konzerninteressen nicht getroffen werden.
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

5 Wörter, 2 Satzzeichen, die es in sich haben.
Sie haben in sich einen Widerspruch, den ich nicht auflösen kann. Es ist der Widerspruch unserer Welt.
Aber darin versteckt: Ein Semikolon. Eine Durchlässigkeit.
Wie der Regenschirm im Bild, der Balance verspricht, wo ich vom Drahtseil zu fallen drohe. Darum kann ich Gott bitten. Jeden Tag neu: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

AMEN.

Pastorin Nathalie Wolk