„Andacht“

Okt./Nov. 2018

Hausputz. Alle Bücher raus aus dem Regal. Den Staub wegwischen. Neu sortieren. Liegengebliebenes weg­räu­men.
Wie das Frühjahr lädt auch der Herbst zum Aufräumen ein. Der Sommer ist längst vorbei, die lieben Ur­laubs­grüße von Freunden haben noch keinen Platz gefunden. Ich sortiere: Was bleibt? Was geht?
Der Herbst ist die Zeit der Verwandlung. Die heißen und trockenen Sommertage sind vergangen. Flipflops, kurze Hosen und Röcke wandern ganz nach hinten in den Schrank. Die Regenmäntel werden herausgeholt und die Stiefel. Das Laub verabschiedet sich allmählich von den Bäumen. Es regnet wieder.
Im Herbst feiern wir Reformationsfest. Wir gedenken einer Zeit des Umbruchs. Des Neu-Sortierens: Abschied und Neubeginn.

Martin Luther hatte erkannt, dass der Herbst der Kirche gekommen war. Sein Herz, seine Seele, sein Geist, sie sehnten sich danach, Altes loszulassen und Neues zuzulassen. Eine radikale Sehnsucht, die mit vielem Althergebrachten kurzen Prozess machte. Sie spülte neue Ideen in die Herzen der Menschen.
Martin Luther hat ein neues Bild von Kirche gedacht und entworfen. Später kamen die Worte zu diesem Bild: ecclesia semper reformanda est – die Kirche verwandelt sich stetig.
Wir Christen bilden Gottes Kirche auf Erden, die sich immer wieder erneuert. Das tut sie schon allein, weil sie bestehen bleibt, auch wenn wir Menschen vergehen. Mit neuen Menschen, die die Kirche füllen, verwandelt sich auch das Gesicht der Kirche. Und das tut ihr gut. Die Kirche verwandelt sich aus eigenem Antrieb, sie tut dies vor allem aus Gottes Kraft heraus.

Für mich muss Kirche so sein: Sie öffnet sich den Veränderungen der Welt und es gelingt, den Menschen Gott ins Herz zu sprechen, zu verkündigen, zu lieben.
Es sind viele Veränderungen, die auf die Kirche zu kommen werden. Das war schon immer so und wird mit Gottes Hilfe auch so bleiben.
Martin Luther hat allen Veränderungen mutig ins Gesicht geschaut. Hatte Vertrauen. Er hat neu sortiert, geschaut, was gehen kann und was bleiben soll. Seitdem sind viele Menschen in der Kirche gekommen und gegangen.
Und trotzdem blieb sie bestehen. In ihr leben Menschen, die noch diese Sehnsucht umtreibt, nach einer Gemeinschaft, die sich von der Welt nicht einschüchtern lässt. Das Gesicht der Kirche, die sich stets verwandelt, findet sich in den Fragenden, Hörenden, in denen, die den Mut haben zu bekennen: „In uns ist keine Kraft […] Wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern unsere Augen sehen nach dir.“ (2. Chr. 20,12)
Jede Sehnsucht ist aufgehoben in den Augen, die den Himmel suchen.
Dietrich Bonhoeffer schrieb dazu: „Alle Umkehr und Erneuerung muss bei mir selbst anfangen.“
Wer sein Umfeld entrümpelt und neue Ordnung schafft, öffnet auch das Innere für Neues. Nutzen wir den Herbst dazu – mit dem Gedenken an die Reformation im Herzen. Von Gott behütet!

Ihre und eure Pastorin
Nathalie Wolk