„Dem Himmel näher sein“

Aug./Sep. 2019

Stromausfall. In Argentinien, Uruguay und weiteren Ländern Lateinamerikas ist in diesen Tagen, in denen ich dies schreibe, der Strom ausgefallen. Vieles ist nicht möglich, der Alltag gerät ins Stocken;
Was „normal“ ist und woran man sich gewöhnt hat, funktioniert nicht.
Eine Kollegin berichtet dieses vom Internet in der Gegend, in der sie lebt. Tagelang konnte sie keine E- Mails schreiben oder empfangen. Sie war beunruhigt, in der Dienstzeit nicht wie selbstverständlich per Mail erreichbar zu sein und auch nicht reagieren zu können, wenn etwas Wichtiges hereinkommen sollte. Eine Art Ausnahmezustand. Wie abhängig wir davon sind, dass die Technik überall reibungslos funktioniert!

„Die 4-Stunden Woche“ heißt der Titel eines Buches, an das ich mich in diesen Tagen erinnerte. Ein provokanter Titel. Der Autor war selbständiger Unternehmer und Workaholic, bis er begann, sein Leben schlagartig zu ändern. Das Buch enthält bedenkenswerte Impulse für mehr „Urlaub“ im Alltag. Er empfiehlt, die Mails nur einmal in der Woche abzurufen und zu beantworten. Das Ziel dabei ist: Mehr Urlaub im Alltag zu haben. So kann jede und jeder seinen Tag und ihre Arbeit beherrschen und nicht die Arbeit ihn oder sie.
Ein guter Ansatz – denke ich – und doch ist es schwierig, der Arbeit geordnet nachzugehen, wenn das Internet nicht funktioniert und der E-Mail-Austausch zwangsweise länger nicht möglich ist. Ich merke: Es macht unruhig, selbst wenn man nicht im Dienst ist. Dann ist Geduld angesagt und der Versuch, den Break vielleicht als heilsamen zu begreifen und womöglich auch zu genießen.

Diesen Artikel schreibe ich, während ich in einem schmalen Tal in den Alpen bin. Auch hier ist es mit der Intenetverbindung manchmal schwierig, und in der Abgeschiedenheit sind auch Mobilfunknetze nicht überall konstant vorhanden.

Ich erlebe aber auch: wirkliche Begegnung findet im persönlichen Gespräch statt. Es ist gut, hier in den Bergen persönliche Gespräche gerade auch mit Bauern zu haben und ihr Leben und Arbeiten auf dem Hof kennen zu lernen. Sie finden – trotz vieler und harter Arbeit oft der ganzen Familie und rund um die Uhr- immer noch die Zeit, einen Kaffee im Stehen zu genießen – sei es am offenen Fenster oder vor der Tür für ein kurzes Gespräch mit uns. Es ist normal, sich hier in der großen Familie, Verwandtschaft und Nachbarschaft jederzeit bei der Arbeit zu unterstützen – ein besonderes Leben – nah an der Natur und abhängig vom Wetter.

Schweigend in den hohen Bergen wandern, mit Augen, Ohren und Nase aufmerksam Pflanzen, Tiere und Umwelt und Wetter wahrnehmen, still einen Franziskus- und andere Pilgerwege gehen: Hoch oben „dem Himmel näher“ sein. Sich danach in der Gruppe darüber austau schen und zudem auch intensiv arbeiten – eine gute Mischung von Leben und Arbeiten.
Im Alltag eine gute Mischung von Leben und Arbeiten täglich wünsche ich allen – auch nach Ferien oder möglichem längeren Urlaub.

Seien Sie und seid gegrüßt!
Pastorin Ursula Koopmann